Gruppenbild der Crailsheimer Bürgerwache
Bürgerwache

Der Tradition verpflichtet, der Moderne verbunden

Ein Fränkisches Volksfest ohne sie, ist eigentlich undenkbar. „Die Bürgerwache ist wohl die einzige Institution, die an allen Festen, die in 179 Jahren gefeiert wurden, auch teilgenommen hat“ erklärt Kommandant Jürgen Rosenäcker.

Mehr als nur Volksfest

Doch es wäre weit gefehlt, die Bürgerwache allein auf das Fest zu reduzieren. „Wir haben im Jahr rund 60 Auftritte“ lenkt Oberleutnant Siegfried Zanzinger den Blick darauf, dass die Zugehörigkeit die 120 aktiven Mitglieder durchaus fordert. Und so sind die Auftritte, die Männer und Frauen in den schwarz-grünen Uniformen – die Beinkleider waren bis 1952 übrigens grau – ein Synonym für gelebte und erlebte Stadtgeschichte.

Geburtsstunde 1830

Ihre Ursprünge reichen gar bis ins Jahr 1440. Damals gründete Markgraf Albert Achilles die „Armbrust Schützengesellschaft“. Die Bürgerwache, wie sie heute jeder Horaffe seit Kindesbeinen kennt, entstand am 31. Mai 1830. Damals wurde das neue bürgerliche Schützenkorps errichtet. Die Crailsheimer hatten übrigens gleich von Beginn an eine enge Verbindung zur ihrer Bürgerwache, denn für die Ausstattung einer Musikkapelle fand „eine öffentliche Kollekte statt“, wurde also gesammelt. Das Ergebnis: 83 Gulden und 48 Kreuzer.

Musik als Markenzeichen

Auch wenn die Bürgerwache in ihrer Geschichte auch schon mal polizeiliche Aufgaben übernahm, war sie von Beginn vor allem eines: das feierliche Aushängeschild der Stadt. Wurden in den Anfängen ihre Auftritte in militärischer Tradition von Trommlern und Pfeifern begleitet, sollte die musikalische Einbettung ihrer Präsentationen im Laufe der Jahre „ein besonderes Markenzeichen“ werden. Zur Teilnahme am Jubiläumsfest der Stuttgarter Stadtgarde schuf der damalige Hauptmann und spätere Ehrenkommandant Major Jakob Möbus im Jahr 1927 mit viel Unterstützung der Einwohner eine uniformierte Musikkapelle. Diese war letztlich die Grundlage für Spielmannszug (1953), Fanfarenzug (1960) und Musikzug (1963). Das starke Aufgebot an Musikern ist bis heute eine Besonderheit der Crailsheimer Bürgerwache. Sie war überhaupt die erste Bürgerwehr im Land mit einem eigenen Musik- und Spielmannszug.

Schwichtenberg setzt auf Modernität

Bei aller traditionellen Anlehnung an die Historie, so ist die Bürgerwache in ihrer Erscheinung auch Sinnbild für die Weltoffenheit der Stadt, was sich unter anderem auch im vielfältigen Repertoire des Musikzuges zeigt, das von Marschmusik über Klassik bis zur modernen Big-Band-Musik reicht und für das sich Erwin Schwichtenberg verantwortlich zeichnet. Der Musikmeister ist auch der erste Ansprechpartner für die musikalische Ausbildung. Bereits ein Blick auf die eigene Jugendseite im Internet macht deutlich: Die musikalische Grundbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der intensiven Jugendarbeit. Dazu arbeitet die Bürgerwache unter anderem eng mit der Blaskapelle in Onolzheim und der Musikschule zusammen.

Projekte wie die sogenannte „Bläserklasse“ in der LSS (Leonhard-Sachs-Schule) tragen ihren Teil dazu bei, dass schon Kinder eine Instrumentenausbildung über die Bürgerwache beginnen können. Erst im vergangenen Jahr wurde das neue Vororchester NBO (Nachwuchsorchester der Bürgerwache und des Musikvereins Blaskapelle Onolzheim) gegründet. Es probt immer mittwochs von 18.15 Uhr bis 19.15 Uhr im Lise-Meitner-Gymnasium (Mensagebäude).

Frauen fester Bestandteil

Dass Traditionspflege und der Blick über den Tellerrand gut ineinander gehen, zeigt sich auch an anderer Stelle. Schon seit den 70er-Jahren gehören auch Frauen den Musikzügen an. „Sich rechtzeitig modernen Entwicklungen zu öffnen, ist auch ein Wesenszug des Vereines“ sagt Jürgen Rosenäcker.

Auch das hat Tradition und so verkörpern Frauen wie Nathalie Rücker bereits in zweiter Generation den Wandel in moderner Brauchtumspflege: „Meine Mutter war schon dabei und ich finde es einfach schön, sich zu seiner Heimatstadt zu bekennen.“ Der Auftritt in Uniform ist für die junge Frau kein Problem und eine Mitgliedschaft kann sie gerade auch jungen Menschen nur empfehlen: „Wir sind viel unterwegs, sehen viel, das gemeinsame Musizieren macht viel Spaß und die Erlebnisse verbinden.“

Nur mit Hilfe in den Sattel

Auch wenn der Augenschein das nicht immer hergibt. „Auch Brauchtumspflege verändert sich mit der Zeit“. Kaum einer weiß das besser als Jürgen Rosenäcker. Er ist der 11. Kommandant in der Historie. Und einige seiner Vorgänger trabten dem Troß sogar noch hoch zu Pferde voran. Dem Vernehmen nach, soll es Kommandanten gegeben haben, die sich pünktlich zum Volksfest extra Holz und Kohle anliefern ließen, um so über Sack und Klafter hinweg, in den Sattel zu kommen. Ob die Mühen wegen der Größe des Pferdes oder mehr wegen der Zahl der Maß an Volksfestbier nötig waren, die auch ein Kommandant der Bürgerwache zwischen Tagwache, Umzug und Ausklang zu sich nehmen muss, ist nicht offiziell überliefert. Wer mehr wissen will, muss schon Mitglied in der Bürgerwache werden.

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